Und so ging es medizinisch weiter:
Hier der medizinische Teil, also alle mit schwachen
Nerven bitte weg schauen!
Ich versuche mal die
letzten zwei Wochen zusammenzufassen. Vielleicht ist es gut, dass ich letzte
Woche keine Zeit hatte zu berichten, denn die Bilanz nach 15 Werktagen ist
vernichtend. Ich habe für mich selbst mal dokumentiert wer alles so gestorben
ist und wie viele eigentlich geheilt nach Hause gegangen sind (wäre ja
eigentlich die Aufgabe von Medizin)
Ca. 6-7 Kinder und
Säuglinge sind bereits gestorben. Die Zahl bleibt unklar, weil Eltern ihre
Kinder schon mal mit nach Hause nehmen z.B. zum Sterben oder in der Hoffnung,
dass ein privates Krankenhaus helfen kann (Anmerkung: leider hat keines dieser Häuser eine
Kinderintensivstation). So nehme ich z.B. an, dass die Gastroschisis daheim
gestorben ist.
Ein Säugling Frühgeburt
der 32.SSW ist heil nach Hause gegangen, zumindest was ich momentan beurteilen
kann- freu, freu, freu.
- Ein Säugling kam zur Nachuntersuchung nach schwerer Asphyxie (also ausgeprägter Sauerstoffmangel unter der Geburt oder Unfähigkeit zu Atmen nach der Geburt) – schlimm, schlimm, schlimm. Im Ultraschall vom Köpfchen nur Löcher zu sehen, keinerlei Kopfwachstum. Die jungen Eltern trotzdem glücklich, dass es überlebte. Diese Liebe ist auch ohne Khmer-Kenntnisse fühlbar.
- 1 Säugling ging zwar heim nach schwerster Enzephalitis (Hirnentzündung), da ich kein EEG habe (dazu unten mehr) nehme ich aber an er ging in einer Art Status (ESES = Electrical Status Epilepticus during Slow sleep) nach Hause. Ich konnte Keppra®= Levetiracetam besorgen durch eine NGO, die auch die Versorgung für dieses Kind über mehrere Jahre zugesagt hat (eine Tablette à 500 mg kostet nämlich ½ US Dollar – ein wenig viel für Familien die oft nur 2 US Dollar am Tag verdienen). Der Zustand hat sich darunter zumindest deutlich gebessert, die sichtbaren Anfälle waren erstmal weg. Der Vater hatte das Kind schon drei Tage vorher mitnehmen wollen. Er hat entschieden es stirbt besser zu Hause als dass es in dem Zustand, wie er es bei uns täglich mit ansehen musste, überlebt. Er hatte unendlich Angst wie er ein so schwerstbehindertes Kind, was nicht einmal schlucken konnte weil es ständig krampfte, durchbringen soll. Die Familie konnte sich den Aufenthalt nicht leisten obwohl hier der Staat schon die Krankenhauskosten übernimmt. Aber die Familie muss ja auch essen wenn sie den ganzen Tag und Nacht in der Klinik ist um das Kind zu versorgen. Das machen hier nicht die Pflegekräfte! Wie auch bei zwei ausgebildeten Krankenschwestern und 12 Patienten? Also haben unsere Studenten, Krankenschwestern und Jungärzte zusammengelegt – also genau die, die hier am wenigsten bis gar nichts verdienen. Ist klar, dass mich das nicht kalt gelassen hat. Mein Kommentar – “It does not make sense if the poorest receive from the poor."
- Der Säugling mit dem Herzfehler starb (angeblich Fallot, aber er erfüllte leider nicht die Kriterien, soweit das das schon bemängelte Ultraschallgerät beurteilen kann) nach einer Pulmonalen Krise -> ist zumindest meine Interpretation. Die Mutter (ich hatte berichtet, jung, alleinstehend, keine Verwandtschaft hier zur Unterstützung) ist beim Bebeuteln nachts eingeschlafen (zur Erinnerung, sie beutelte über das ganze Wochenende, mit kurzen Pausen durch die Pflege). Der Säugling konnte nochmal wiederbelebt werden, aber starb dann trotzdem in den frühen Morgenstunden. Wieder Beatmungsfehler? Es bleibt unklar....
- Der Junge, der vom Traktor überrollt worden war (ich hatte berichtet): da wir kein CT haben (der Staat arbeitet daran, evtl. gibt es dieses Jahr noch eins, ein Bild kostet ca. 100 US Dollar aufwärts) starb er nach einer Woche Hoffnung für die Eltern, da das Bauchtrauma leider nicht genau beurteilt werden konnte, die Bauchspeicheldrüse sich langsam auflöste und am Ende das Multiorganversagen einsetzte.
Die positiven Erlebnisse ->
Es gibt ja noch zwei
Säuglingszimmer, die ich zweimal die Woche besuche. Hier trifft man von 28
Schwangerschaftswochen bis Bronchiolitis aufwärts alles (man teilt die Zimmer soweit es bei den
Massen an Durchlauf geht in infektiös und nicht infektiös auf). Aber unsere
Zusammenarbeit wird hier offenbar sehr ernst genommen. Man versucht meine
Ratschläge umzusetzen, es fehlen Standards aber das kennen wir ja alle durchaus
auch als tägliches Problem. Und wenn sie sich nicht verschlechtern und auf der
ICU landen, dann gehen sie in den aller meisten Fällen auch glücklich nach
Hause…. und ich freue mich dann wie ein Schneekönig
Wir arbeiten also gerade
an so etwas wie Perzentilen oder Bilirubingrenzen (z.B. macht prophylaktische Phototherapie
keinen Sinn), Antibiotika Regime etc.
Die ernüchternde Bilanz
bei durchschnittlich 8-12 Säuglingen, die teilweise nur 2-3 Tage da liegen z.T.
mit Sauerstoff oder in einem Inkubator: kein CPAP, kein
Sauerstoffsättigungsgerät, 2 Phototherapielampen, 3 Inkubatoren, 2 Wärmebetten.
Das Krankenhaus selber
arbeitet an Guidelines z.B. für Asphyxie. Ich musste doch deutlich schmunzeln,
als man mich freundlich auf dem Vorschlagspapier (man hatte mich vorher 3
Stunden zu sämtlichen Sätzen darin befragt) als Professor betitelte. Ich habe
dann erläutert, dass man bei uns nur weil man Subspezialisierungen hat nicht
automatisch Professor ist, schließlich steht das ja auch nicht in meinem
offiziellen Lebenslauf. Das konnten sie nur schlecht nachvollziehen, haben es
aber dann doch geändert.
Es gibt ein Physiotherapie Department welches gerade einen Volontär aus Brasilien hat. Er ist hoch engagiert, leitet bei allem an was er kann, sensibilisiert für Cerebralparese und hilft bei einem neuen Nationalen Projekt mit, bei dem es um Früherkennung von Behinderungen geht. Immerhin 4 Provinzen werde aktuell auf Klumpfuß und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten „gescreent“ und sollen kostenfreie Behandlung bekommen. Dinge wie Meilensteine der Entwicklung sollen zum Standard werden. Die Kinderchirurgie über die das seltsamerweise läuft, bat bereits um ein Treffen mit mir, denn ein Kinderneurologe war ganz sicher bisher nicht involviert. Ich denke, dass es die Kinderchirurgie ist, liegt einfach daran, dass man in Entwicklungsländer besonders körperliche Behinderungen als solche wahrnimmt. Meist arbeitet man zuerst an der Integration dieser Menschen. Geistige Behinderung wird eher als Fluch oder Schicksal wahrgenommen. Übrigens gibt es auch hier Kinder mit Trisomie 21, die ausgesprochen „hübsch“ aussehen, was nicht despektierlich gemeint ist. Aber die Menschen, die mich kennen wissen um meine besondere Zuneigung zu ihnen, nicht nur aufgrund der besonderen Freundschaft zu Stefan.
Es gibt sogar ein EEG im
Haus. Was nur keiner benutzen kann. Wo sie das nur schon wieder her haben????
Ich befürchte nur, das kann ich nicht auch noch leisten. Andererseits könnte
ich zumindest die Patienten, die ich sehe, untersuchen. Falls eine EEG Schwester
unter Euch ist, die vielleicht Lust hat Urlaub in Kambodscha zu machen und
dabei zufällig zwei Wochen Schwestern vor Ort anleiten möchte???? Ich würde die
kommenden Wochen das Gerät mal überprüfen, wenn es taugt mache ich einen ernst
gemeinten Aufruf. Wenn nicht, bleibt nur ein kurzes Schultern-hängen-lassen und
Weitermachen...ist ja nicht das einzige Thema wo ich Diagnostik mit den 5
Sinnen mache.
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