Dienstag, 21. Februar 2017

Aufgaben und Realität




Meine Aufgabe:

Integrierter Experte am National Pediatric Hospital auf der NICU „Neonatal Intensive Care Unit“ (die es hier als Begriff nicht gibt, hier heiß alles ICU also „Intensive Care Unit“). Wunsch an mich, die Leute so auf Vordermann bringen, dass sie eine moderne Neonatologische Station führen können, als Vorzeigeobjekt für National Health Service.



Die Realität:

ACHTUNG, vielleicht möchten dass nur Menschen mit Medizin assoziierten Berufen lesen!

Himmel, wo soll ich anfangen. Schön, wir bekommen ein neues Gebäude, dann sind die Kinderintensiv und die Neonatologie endlich getrennt. Gesponsert wird das Ganze durch eine koreanische Krankenhauskette. Das ist sicher wünschenswert wenn ich allein an die Erkrankungsbilder der letzten Woche denke: Hämorrhagisches Fieber unklarer Genese, HIV im Endstadium, neben offener Gastroschisis ca. 34 SSW, Herzfehler ca. 33 SSW und 4 Monate mit Enzephalitis usw.

Aber sonst… ich benenne einfach mal meine eindrücklichsten Momente:

-          Eltern die ihren 6 Jahre alten Sohn, der von einem Traktor überfahren wurde, intubiert unter Fentanyl, Morphin und Paracetamol mit Hämothorax und Pleuradrainage 36 Stunden mit der der Hand bebeuteln, weil wir keine Beatmungsmaschine haben. Okay wir hatten mal sieben, davon arbeiten aber nur noch zwei. Und wem nimmt man das Gerät dann weg. Dem Asphyxie Baby, von dem die Eltern trotz aller drohender maximalen Behinderung wollen, dass es überlebt. Oder dem Frühgeborenen mit Herzfehler, bei dem die Mutter alleinstehend ist und eigentlich die Hoffnung auf ein Überleben schon aufgegeben hat? Konsequenz: dem Herzbaby, was natürlich nach 24 Stunden wieder schlecht wurde, reintubiert wurde und nun vermutlich über das ganze Wochenende Hand-gebeutelt wird…

-          Ein Säugling der seit Dezember wegen ausgeprägter Tracheomalazie in Behandlung war und aktuell unter 4 Litern Sauerstoffzufuhr herumlag, wurde nach Hause entlassen, weil die Eltern die Hoffnung aufgeben haben und leider verhungern müssen wenn sie nicht bald wieder anfangen zu arbeiten. Er wird zu Hause gestorben sein.

-          Man kann in Kambodscha schon mit 28 SSW an der Brust trinken –JUBEL!

-          Das Schicksal eines Mädchens von 8 Jahren. Seine Mutter verließ es als Säugling. Pflegeeltern nahmen es auf, liebten es, gaben Ihm ihr die Liebe die sie brauchte. Sie wussten damals nicht, dass es HIV hat. Kümmerten sich aber trotzdem weiter nach Kenntnis der Diagnose. Jetzt kam es im Endstadium ausgezehrt mit schwerem Marasmus, Schnappatmung, Kaposi Tumoren überall, CD-4 Zellenzahl absolut 14. Das Weinen der Pflegemutter war nur schwer zu ertragen, sie war so tapfer, ich hätte am liebsten mitgeweint.

Und das sind nur die eindrücklichsten Momente einer 5 Tage Woche!



Ihr findet die 0133 oder 0132 eng? Quatsch, wartet bis ich Bilder von den Säuglingszimmern gemacht habe. Was, die Giraffe piepst Euch zu oft? Sei froh, dass der Inkubator überhaupt funktioniert, ebenso der Wärmeplatz, der Perfusor etc.



Als ich das erste Mal die Intensivstation betrat dachte ich, ich traue meinen Ohren nicht. Und tatsächlich, da piepst so eine besch… Heizung von Fisher&Paykel und zwar 24 Stunden 7 Tage die Woche. Warum? Weil wir nichts anderes zum Anwärmen der Beatmungsluft haben und die Heizung aber nicht kompatibel mit den Beatmungsschläuchen ist. Beispiel gefällig?







Auch für alle Nichtmediziner zu ertragen!

Nach meiner Ankunft wurde ich erstmal in einem Appartementhotel untergebracht. Es ist sehr schön und gemütlich, hat viele grüne Pflanzen und liegt relativ ruhig, was in Phnom Penh fast unmöglich ist. Es liegt günstig zum GIZ Büro (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit), die quasi indirekt mein Arbeitgeber sind, da sie mit der Kambodschanischen Regierung an der Verbesserung der Mutter-Neugeborenen Gesundheit arbeiten. Aber es liegt super ungünstig zum National Pediatric Hospital. Aktuell muss ich jeden Morgen und jeden Nachmittag eine Stunde durch den verrückten Verkehr von Phnom Penh mit dem Fahrrad pendeln. Ich brenne darauf, bald in die Nähe des Krankenhauses zu ziehen! Hier ein kleines witziges Beispiel wie mein Alltag im Straßenverkehr aussieht.





Wenn wir alle bei grün starten, klingt es so als ob ein Hornissenschwarm um mich herum wuselt. Nur damit Ihr einen Eindruck habt ;-).



Meine Arbeitszeiten liegen von 8-12 und von 14-17 Uhr. Wobei die Mittagspause absolut heilig ist. Wenn man Vegetarier ist, überlebt man nur schlecht in Kambodscha, denn irgendein Tier gehört immer ins Essen. Trotzdem haben sich meine Kollegen liebevoll um mich gekümmert, damit ich mittags nicht verhungern muss. Sie sind sogar extra in ein vegetarisches Restaurant mit mir auf dem Sozius gefahren. Aber man sieht ihnen trotzdem an, dass sie leiden – grins. Es ist überhaupt bemerkenswert, wie wissbegierig und lernwillig die jungen Assistenzärzte sind. Im Krankenhaus hat man bereits am ersten Tag in der Konferenz, in der ich vorgestellt wurde um mich gerungen. Denn man würde gern auch ganz zufällig eine Neurologie und Entwicklungsdiagnostik aufbauen. Somit bin ich zwar grundsätzlich auf der Intensivstation zu finden, laufe aber 2-3 x pro Woche zur Allgemeinstation mit zwei Säuglingszimmern und zum Emergency Department zwecks Visite und Fallbesprechung.






Zusammenfassend kann man sagen:


Ich bin hier absolut richtig, ob ich etwas bewirken kann, wird sich zeigen. Es gibt hier immer noch sehr viele armen Menschen und es tut mir weh mit anzusehen, dass Mütter ihre Kinder aufgeben müssen, weil sie keine Hoffnung haben. Es ist erschreckend mit welcher Skrupellosigkeit Deutsche und andere ausländische Firmen Ihren Medizintechnikmüll Verkaufen und damit auch noch Profit machen. Denn wie soll sich ein solch armes Land die Aufrechterhaltung solcher Maschinen leisten? Trotzdem würde ich mir 4 weitere funktionierende Beatmungsgeräte wünschen – Hand bebeuteln, ich fass‘ es nicht…. Und auch ein Sonographie Gerät, wo man nicht raten muss, ob dass das Gehirn ist, wäre hilfreich. Aber nun arbeiten wir erstmal mit dem was wir haben.

Säuglingsnahrung ist mit 10 US$ sau teuer. Trotzdem müssen die Mütter Formula Nahrung füttern bei Frühgeborenen und bei reifen Kindern, weil sie für den Lebensunterhalt der Familie sorgen müssen.

Es gibt viel zu tun, ich freue mich darauf, muss aber nun dringend Khmer lernen.



Ich würde mich freuen, ich schaut alle paar Wochen mal rein, ich werde versuchen im Abstand von 1-2 Wochen zu berichten. Es wird immer mal wieder sehr medizinisch, ist ja klar. Aber ich werde immer entsprechende Warnungen abgeben. Wer Fragen hat, gern auch an meine direkte Mail: mayanara@gmx.de

Wer Urlaub machen will ist ebenfalls herzlich willkommen. Sobald ich eine Mietwohnung bezogen habe, was noch ca. 1-2 Wochen dauern wird, kann man sicher auch bei mir übernachten.

1 Kommentar:

  1. Mensch Maya,
    das hört sich schlimm an, kaum vorstellbar für uns verwöhnte und rundum versorgte Weichlinge.
    Du hast meine uneingeschränkte Bewunderung für das, was Du tust.
    Davon können wir uns alle ein paar Scheiben abschneiden.

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