Mittwoch, 10. Mai 2017


Leben, überleben und schön leben…

„Hochwasser“

Die Regenzeit hat angefangen! Wie schön… wie bitte? Also schön ist ja etwas anderes, vor allem wenn immer solche Sturzbäche herunter kommen. Aber ich will mich nicht beklagen, nachdem mich mehrere Nachrichten über 5°C und Bodenfrost, sowie das beständige morgendliche Kratzen der Autoscheibe aus Deutschland erreicht haben. Andererseits ist es ein wenig bedenklich wie rasch man sich an 36°C gewöhnen kann um dann bei 32°C darüber nachzudenken, ob man lieber etwas Langärmelige trägt, weil man es ein wenig kühl findet. Ich frage mich, wie ich mit kalten 24 °C im November zurechtkomme?

Nicht besonders erfreulich ist es jedoch, wenn bei den besagten Sturzbächen so viel Wasser auf dem Gelände des Kinderkrankenhauses steht, dass es auf die Station schwappt. Das erste Mal als dies passierte, saß ich nichtsahnend am Schreibtisch und hörte dem prasselnden Rege zu. Das erste sichere Zeichen dafür dass etwas nicht stimmt, war die  Tatsache dass einer der Streunerkatzen auf die Station gerannt kam, an mir vorbeihuschte und sich hinten im Lager versteckte. Etwas später dann beobachtete ich eine der üblichen RIESEN-Kakerlaken wie sie gemächlich das Gelände erkundend ebenfalls nach hinten „trippelnd“ Unterschlupf suchte. Ich hätte liebend gern ein Video davon gedreht, aber ich wollte meine Patienteneltern nicht verunsichern indem ich über den Boden einer Kakerlake hinterher krieche. Als ich auf unserem Vorsprung der Station nach draußen trat, konnte ich sehr leicht erkennen, warum alle herein geflüchtet kamen. Vor mir offenbarte sich eine kleinere Sintflut. Wenn dann das Wasser in die Station läuft, macht das wenig Freude. Gründe hierfür sind: nasse Füße, schmutziges Wasser (nicht weit weg von uns werden nämlich die Müllsäcke des Krankenhauses an der frischen Luft gestapelt), Verteilersteckdosen, die auf dem Boden lose herum liegen und die auch ohne Wasser manchmal Funken schlagen, sowie plötzliche Rutschigkeit auf glatten Fliesen. Als ich an diesem Tag nach Hause ging, musste ich meine Hosen bis über das Knie krempeln und bin dann barfuß mit dem Fahrrad heimgeradelt. Sinnigerweise hatte ich genau an diesem Tag den Termin mit dem Ministerium für Gesundheit gehabt, so dass ich beste Schuhe und gute Hosen anhatte (wie gesagt, ursprünglich).


Sturzbach aus dem Fenster betrachtet
Versuch einer Nahaufnahme
Nein, ich komme wohl nicht bis zum Müllberg mit meinem Moped...
Es waren weniger als 20 Minuten, bis es dann zu uns herein schwappte
Heute gibt es mal wieder Rege, ich muss aber ins Büro und bin daher barfuß ins Tuk-tuk gestiegen
Ein Abschnitt zum Essen muss einfach sein

Wenn man nicht aufpasst bekommt man ein Gewürzgemisch mit viel Ingwer und anderem Gemüse, lecker in Bananenblättern gedämpft um dann nach dem Verzehr zu erfahren, dass es sich bei den anderen Ingredienzen um Schneckenallerlei handelte -> urrghs.

Dann gab es als neustes Erlebnis mein Ei-Experiment. Meine kambodschanische Lieblingskollegin brachte mir nämlich extra von daheim ein Produkt Ihrer Farm mit. Ein Krokodilei. Ja, wirklich. Gut, ich habe nun viel über Krokodile gelernt, denn diese Farm dient lediglich der Fleischherstellung. So werden die Jungtiere nach Vietnam und Thailand verkauft, sie sind dort offenbar eine Delikatesse. Es geht nicht um Krokodilleder (sollte also jemand in diesem Geschäft tätig sein, ich habe da jetzt Verbindungen – passt ja auch super zu mir – bin ich absolut der Typ für…). Aber mir war nicht bewusst, dass es auch unbefruchtete Eier in einem Gelege von 10-20 Eiern gibt. Nun gut, ich vertraute ihrem Vater, er muss ja wissen wenn da nichts drin ist. Und so nahm ich mir einen Sonntagmorgen Zeit, kochte das Ei nach Anweisung und dokumentierte den Verlauf wie ihr unten angefügt sehen könnt. Es schmeckte „okay“. Was vermutlich daran liegt, dass ich nicht so ein Ei-Fan bin. Denn wer den Ei-Geschmack gern mag, findet dieses Ei sicher super. Traditionell werden sie mit einer Soße aus Limette, Salz und Pfeffer gegessen.

Mein „Garten“ hingegen bereitet mir durchweg große Freude, denn ich konnte nun schon dreimal ernten. Und lecker schmeckt das spinatartige Gemüse auch noch. Mehr zu meinen Nahrungsexperimenten dann beim nächsten Mal ;-).
Es ist schon was größer als ein "normales Ei"
Beginne das Ei auszupellen
Wie man sieht ist die Struktur eine andere
Es ist nun mal ein Reptilei
Na dann mal los...
Zeit für die erste Ernte
Und so sieht sie aus, mhhh lecker war's

Ausländer Leben:
Vegan und Sport
Durch eine deutsche Kollegin, die zuvor in Nepal arbeitete und einfach eine tolle „Menschin“ mit viel Herz und Wärme ist,  habe ich ein wenig mehr Zugang zu dem „Ausländerviertel“ (wie ich es immer nenne) bekommen. Wir beide hatten ganz spontan nach einer Konferenz, an der wir beide teilgenommen haben, in ein Fitness Studio vor Ort geschaut und uns herum führen lassen. Mich hat vor allem das Schwimmbecken angesprochen. Denn so klassische öffentliche Schwimmbäder wie in Deutschland gibt es hier nicht. Und was gibt es schöneres als im Schatten ein paar Runden zu drehen? Sicher, viele der besseren Hotels haben Pools. Nur darin kann man meist nur plantschen. Aber einfach nur hin und her schwimmen, so wie andere stumpf auf dem Laufband rennen, das geht eben nur wenn man auch ein paar Meter machen kann. Und so habe ich nun eine feste Abwechslung an 1-2 Abenden die Woche neben meinem Khmer Unterricht, den ich noch tapfer wahrnehme.
Bisher war ich ein wenig scheu, was das Viertel angeht. Sicher, ich hatte beim letzten Bericht erwähnt nur Khmer Leben wird schwierig auf die Dauer. Andererseits kommt das Ausgehen im Viertel nach Art des Ausländers oft einem ziemlichen Kulturschock gleich. Tagsüber mit den Armen umgehen, für 2 US Dollar essen gehen und mit maximal limitierten Ressourcen jonglieren und dann am Wochenende mal eben 30 US Dollar für ein Essen raushauen oder 25 US Dollar für einen Eintritt, ist schon ein wenig verrückt. Viele Mitarbeiter der verschiedensten Organisationen leben in großen Appartements mit Pool auf dem Dach oder eigenen Einrichtungen im Haus. Das ist verständlich, denn sie verbringen hier nur eine bestimmte limitierte Zeit, so wie ich und arbeiten oft nicht direkt mit „Einheimischen“ zusammen oder eben welchen, die gebildet und weitgehend normal situiert sind.
Die besagte Kollegin hat aber sichtlich ein Händchen dafür die alternativere Szene Phnom Penhs kennen zu lernen, und so fand ich mich nach gelungener Anmeldung im Fitness Center bei einem Wohltätigkeitstreffen der „Animal Aid Cambodia“ in einem tollen Kino-chen wieder. Es gab ein vegetarisches Büffet (Himmel, habe ich mich darüber gefreut), Katzen, die ich streicheln konnte, Menschen, die nicht wegschauen, das Kino namens Flicks, indem man wie in einem der besten Essener Programmkinos auf Liegestühlen herumlungernd den Film genießen kann und einen Film, den ich sehr erhellend fand. Dabei musste ich mal wieder feststellen, dass wir bezüglich Umwelt in Deutschland wirklich ganz weit vorn sind. ECHT! Es kommt uns immer nicht so vor, weil es natürlich alles noch besser geht und wir eben als Deutsche auch gern ein wenig perfektionistisch sind. ABER glaubt mir, wir sind ganz vorn dabei. Da kann sich manches entwickelte Land wirklich noch Einiges abschauen (die USA erwähne ich hier mal nicht, sonst höre ich vermutlich nicht auf zu schreiben und lande noch im CIA Keller).

Der Film „Cowspiracy“ führte jedoch dazu, dass meine Kollegin beschloss eine Woche vegan leben zu wollen, nur um es mal auszuprobieren. In Phnom Penh, jetzt ehrlich???? Also das nenne ich mal Leben mit Hürden. Aber Sie hat es allen Ernstes bis dato sogar ganze zwei Wochen durchgezogen. Ich kann nur sagen „RESPEKT“. Vor allem wenn ich meine Probleme des vegetarischen Daseins in Kambodscha nochmal in Erinnerung bringen darf.



Philosophie über Ausländer
Als ich so meine Überlegungen tat warum ich mit dem Ausländerviertel so fremdeln muss, wurden mir noch ganz andere Dinge bewusst. Ich gehöre durchaus auch zu den Leuten zu Hause in Deutschland, die wiederholt darauf hinweisen, dass diese oder jene Mutter aus der Türkei, Rumänien, Russland etc. endlich mal Deutsch sprechen können müsste. Schließlich sei sie ja nun schon 10 Jahre hier bei uns. Auch Integration beginnt damit, dass man versucht die Kultur des neuen Heimatlandes zu verstehen und sich zu adaptieren. Aber wenn ich so durch das Ausländerviertel hier in Phnom Penh schlendere, merke ich von dieser Adaptation nichts. Denn mitgebracht, sicher auch orientiert am Tourismus, haben wir hier Irish Pups, Libanesischen Grill, Deutsche Gutbürgerliche Küche, Diskotheken, KFC, Burger King, Kaffeehäuser, Fitness Center, Cinemax Artige Großkinos, vegane Küche etc. Die meisten Ausländer sprechen kein Khmer. Und in die Pagode geht sicher auch kaum einer zum Beten. Klar, die Meisten bleiben auch nicht für den Rest ihres Lebens, das hat die Kollegin zu Recht angemerkt. Ein Grund, sich nicht ganz darauf einlassen zu können, da man ja wieder geht. Und ich kann nur zu gut verstehen, warum man seine Croissants oder Bier und Wein nur ungern daheim lassen möchte. Es fehlen mir hier auch eine Menge Dinge. Ich will das auch gar nicht als gut oder schlecht oder richtig oder falsch bewerten. Es ist lediglich eine für mich etwas überraschende Kontemplation gewesen, die ich gern mit Euch teilen wollte. Denn selten betrachtet man sich in Anblick der ganzen Flüchtlingsdebatte oder Einwanderungspolitik selber als Ausländer.




Leistungen meiner Freunde, also von EUCH!
Meine Lieben, ich weiß es sehr sehr sehr sehr  zu schätzen, dass Ihr mich unterstützt. Ich bin unendlich dankbar, dass ihr an mich denkt, mich aufbaut, tröstet und mir immer wieder schreibt wie sehr ihr meine Arbeit bewundert oder beeindruckend findet. Ohne diesen Zuspruch würde ich mich hier manchmal sehr einsam und traurig fühlen!

Aber ich möchte an dieser Stelle Eure Liebe auch einmal zurückgeben. Denn fast überraschend sind es zumeist Menschen, die selber jeden Tag Unglaubliches vollbringen. NEIN, nicht wegschauen, ich meine genau Dich! Ja, Du!
Es ist für mich kein Unterschied ob ich hier irgendwo durch den Dschungel krieche oder im Dschungel Deutschlands oder wo immer Ihr Euch befindet. Findet Ihr nicht? Doch!

Warum ich das finde. Weil „Helfen ansteckt“, so lautete mal ein Zeitungsartikel über mich. Ihr seid Vorbilder für andere, ihr denkt ihr bewältigt nur Euren Alltag. Aber das stimmt so formuliert nicht. Es ist die Art, wie Ihr ihn bewältigt. Ihr denkt es sind nur ganz kleine Dinge die Ihr beitragt, aber es kommt nicht auf die Größe an; und überhaupt wer bestimmt denn diese Größe? Ihr seid liebevoll, kümmert Euch, habt ein offenes Ohr. Jeder tut auf seine Weise etwas ganz besonderes. Ich persönlich glaube an den „Schmetterlings Effekt“, dass jeder Flügelschlag eine langfristige Folge hat.
Und genau das tut jeder von Euch. Jede vermeintlich kleine gute Tat hat eine langfristige gute Folge.

Ihr seid besondere Menschen, mit besonders liebevollen Herzen, Ihr seid eine Bereicherung für Eure Umgebung und ich habe Euch ganz besonders doll lieb, sonst würde ich das hier nicht schreiben.

Macht weiter mit Euren guten Taten! Und danke, dass Ihr mit Euren Gedanken, Wünschen und Herzen bei mir seid!

Danke, dass es Euch gibt!







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